Detektive sind Leser: Interview über Krimis

Schweizer Buchhandel Nr. 5 (2016), S. 6-8. /// Cover_Buchhandel

… Aber Krimis sind gleichzeitig auch philosophische Abhandlungen übers Lesen an sich?
Ich persönlich finde das absolut Spannendste an Krimis, dass sie zwangsläufig selbstreflexiv sind. Sie thematisieren immer Literatur. Die grossen Detektivfiguren wie Dupin bei Poe oder Sherlock Holmes bei Doyle: Im Idealfall gehen die nicht einmal aus dem Haus, um den Fall zu lösen. Die bewegen sich nicht einmal aus ihrem Stuhl. Und da muss man sich fragen: Was sind denn das für Typen? Es sind Leser! Sie lesen Spuren, als wären sie Bücher, sie lesen Texte und deuten sie.
Watson bringt Sherlock Holmes die Informationen, und nur anhand der Tatsache, dass Sherlock Holmes ein guter Leser ist, kann der Fall gelöst werden. Da gibt es eine lustige Spiegelung zwischen dem Leser, der den Krimi liest, und dem Detektiv, der darin vorkommt. Weil man merkt: Der ist wie ich, und ich bin gefordert, die ganze Zeit wie ein Detektiv den Text zu lesen…

Interview von Pascale Blatter