„Nichts ist vorbei. Nichts ist gelöst. Weder die Beziehungsprobleme zwischen dem Psychiater und seiner Gattin, noch das gestörte Verhältnis der beiden zu ihren Kindern. Sie habe in der Schule als späteren Berufswunsch „Patientin“ angeben, wird McIvers von seiner Frau vorgeworfen – Beweis, wie viel mehr Interesse und libidinöse Energie er an seine Schutzbefohlenen verschwendet, anstatt an seine Familie. Abgesehen von einer einzigen Szene, in welcher der Vater seine Kleine die Treppe hochträgt, ist diese vernachlässigte Tochter aber während des ganzen Films abwesend, auch und gerade am Ende. Der Film selbst mag sich um die Tochter nicht kümmern. Es ist, als wäre sie tatsächlich bereits als Patientin in einer geschlossenen Abteilung ausserhalb des Films für immer interniert worden.
Ebenso auffällig unangesprochen bleibt in Vincente Minnelli’s „The Cobweb“ die Figur des Sohnes, der mit sich selber Schach spielt und der am Ende seinem Vater gar die Absolution erteilen muss, als dieser mit schlechtem Gewissen erklärt, es sei halt manchmal für einen Arzt einfacher, sich um seine Patienten zu kümmern, als um die eigene Familie. „I know Dad“ meint darauf der kleine Sohn aufmunternd lächelnd, „that’s your job“ und sieht weiter zu, wie der Vater für den Patienten im Wohnzimmer Milch wärmt, während er sich sein Abendessen selber machen muss. Auffällig auch, dass dieser Sohn im ganzen Film so effeminiert erscheint, was nur noch stärker betont wird durch die kleinen Herrenanzüge und Hemden, die er trägt. Der kleine Mann sieht immer aus, wie ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet. Der Film zeigt diese queere Figur und lässt sich doch nie auf sie ein. Dass jener „trouble“, von dem der Anfangs- und Schluss-Satz sprechen, auch ein „gender trouble“ sein könnte, davon will der Film offenbar nichts wissen. Der Betrachter aber fragt es sich umso mehr.“
aus: „Bilder geben: Übertragungen zwischen Film und Psychiatrie.“ in Filmbulletin 2 (März 2016)